Mittwoch, 21. Dezember 2016

Freundschaft


"Freunde sind Menschen, die auch in schwieriger Zeit Dir die Treue halten und ehrlich zu Dir sind.“

Diesen Satz las ich in diesen Tagen in einer Geburtstagskarte an meine Tochter. Wie wahr dachte ich, aber Papier ist leider sehr geduldig. Im „wahren“ Leben, wie man so schön sagt, ist das doch eine sehr große Herausforderung. So habe ich es erfahren und so empfinde ich das für mich selbst. 
Ich hörte von einem Mann, dessen Frau in meinem Alter vor ein paar Wochen über Nacht verstarb. Ohne Vorwarnung, ohne Krankheit, ganz plötzlich. Und er erzählte von seinem großen Freundeskreis, den er einst mit seiner Frau hatte. Und heute, drei Monate später, sitzt er alleine zu Hause und keiner seiner Freunde meldet sich, fragt nach, hilft ihm, unternimmt etwas mit ihm, lädt ihn ein oder ruft einfach mal an. Keiner! Sind das keine Freunde?
Ich kenne eine Frau, deren Freundin unheilbar krank wurde. Es war eine Krankheit, die mit viel Leid verbunden sein würde, das wussten alle. Diese Frau wagte es nur selten, zu ihrer kranken Freundin zu gehen, der es immer schlechter ging. Sie machte sich Vorwürfe und fragte sich zunehmend „Bin ich eine wirkliche Freundin, wenn ich meine eigene Angst vor dem Tod und meine Hilflosigkeit nicht überwinden kann?“
Und ich selbst habe die schmerzlichen Erfahrungen gemacht, dass sich in schwierigen Zeiten ausgerechnet einige der Freunde zurückziehen, von denen ich es nicht erwartete hätte. Gleichzeitig bin ich Menschen begegnet, die plötzlich für mich da waren, ganz unerwartet und liebevoll. Sind das die „wahren“ Freunde?
Und wie ist es mit der Ehrlichkeit unter Freunden? Offenbar ist Ehrlichkeit ein wahnsinniges Risiko für Freundschaften. Leider! Was ist eigentlich für eine Ehrlichkeit damit gemeint? Ich denke, es ist diese Sorte von Ehrlichkeit und Offenheit, die so schwer auszuhalten ist – Kritik. In einer Freundschaft offen zu sagen, was mir am anderen nicht gefällt, was er in meinen Augen falsch gemacht hat, was mir vielleicht weh getan hat, das fällt mir nicht leicht. Ich habe Angst vor dem Verlust der Freundschaft. Und es ist auch nicht leicht auszuhalten, wenn mich jemand offen kritisiert, eben ehrlich zu mir ist. Aber immer noch besser, als wenn immer und immer wieder so getan wird, als sei alles in Ordnung, wenn immer nur gelächelt wird, obwohl sich dahinter ein Groll verbirgt. Ich selber weiß lieber woran ich bin, auch oder gerade in einer Freundschaft.
Für mich gesprochen, drückt der Satz oben eher meinen Wunsch an eine Freundschaft aus, der leider so oft nicht erfüllt wird. Ich erlaube mir mal, den Satz entsprechend umzuformulieren
Ich wünsche mir, Freunde zu haben, die auch in schwierigen Zeiten mir die Treue halten und ehrlich zu mir sind. Und ich wünsche mir, dass ich ein Freund bin, der auch in schwierigen Zeiten dir Treue hält und ehrlich zu dir ist.“

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen